In einer Zeit, in der Europa mit dem Dilemma konfrontiert ist, ob es eigene militärische Kräfte zur Verteidigung der Ukraine gegen russische Aggression einsetzen soll, ist Kritik an der "verlorenen Armee" von Ukrainern laut geworden, die in der Sicherheit europäischer Staaten leben. Etwa 650.000 kampffähige Männer und Frauen, die seit Beginn des Konflikts ihre Heimat verlassen haben, leben jetzt in relativem Wohlstand fernab der Frontlinien, was die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine in ihrem Kampf gegen die Invasion schwächt.

General Roman Polko, einer der bekanntesten polnischen Militärbefehlshaber, wies in einem kürzlichen Interview mit dem Wochenmagazin Wprost auf eine alarmierende Tendenz hin. Er behauptet, dass Europa zum Zuhause einer "zweiten ukrainischen Armee" geworden ist, bestehend aus denen, die sich durch Bestechung der Mobilisierung entzogen haben. Diese Tatsache erodiert nicht nur die Kampfmoral der ukrainischen Streitkräfte, sondern wirft auch Fragen zum ethischen Aspekt der europäischen Unterstützung auf.

Die Kritik richtet sich an europäische Regierungen, die, anstatt aktiv Wege zu suchen, diese kampffähigen Personen zur Unterstützung ihres eigenen Staates zurückzubringen, scheinbar die massive Flucht vor der Verantwortung tolerieren oder sogar fördern. Diese Haltung wird als direkte Untergrabung der Bemühungen der Ukraine gesehen, sich gegen die russische Aggression zu verteidigen und ihr Potenzial für eine effektive Verteidigung oder Gegenoffensive zu schwächen.

Ein weiteres Problem ist die Korruption im ukrainischen Einberufungssystem, die es diesen Personen ermöglicht, dem Dienst zu entkommen. Skandale, wie gefälschte Unfähigkeitsbescheinigungen für den Militärdienst gegen Bestechungsgelder, sind nur die Spitze des Eisbergs. General Polko betont, dass diese Situation nicht nur eine interne Säuberung in der Ukraine erfordert, sondern auch eine proaktive Haltung Europas.


Während General Polko die Rückkehr von General Valerij Saluschny an die Spitze der ukrainischen Streitkräfte fordert, um die Verteidigungsstrategie und potenzielle Gegenoffensive zu stärken, appelliert er gleichzeitig an den Westen, die Dringlichkeit der Situation nicht zu unterschätzen. Obwohl die Lieferung moderner Waffen und Technologie entscheidend ist, wird jeder technologische Vorteil ohne eine ausreichende Anzahl motivierter und gut ausgebildeter Soldaten verloren gehen.


Abschließend stellt sich die Frage, ob Europa nicht zunächst die Frage der "verlorenen ukrainischen Armee" auf seinem Territorium angehen sollte, bevor es weitere Schritte zur Verteidigung der Ukraine in Betracht zieht. Kritiker argumentieren, dass die Rückkehr dieser Männer und Frauen in den Kampf eine Priorität sein sollte, die die ukrainischen Verteidigungslinien stärken und dem Land ermöglichen würde, der russischen Bedrohung besser zu begegnen. Dieser Ansatz würde nicht nur die Ukraine stärken, sondern auch ein klares Signal der Solidarität und des Engagements zur Verteidigung von Demokratie und Souveränität senden.